Eindrücke vor Ort: Woche der Entscheidung steht in Lützerath bevor

Die zweite Januarwoche wird höchstwahrscheinlich die Woche der Entscheidung im kleinen Örtchen Lützerath bei Erkelenz. Kollege Thorsten Ortmann hat sich vor Ort umgeschaut.

Update 10. Januar 13 Uhr

Mittlerweile kristallisiert sich der Mittwoch (11.01.) als Räumungstag heraus. Denn die Polizei NRW hat damit begonnen, Zufahrtsstraßen wieder freizuräumen, erste Barrikaden werden außerdem entfernt. Über Lautsprecher erhielten Klimaaktivisten folgenden Appell seitens der Polizei: "Greifen Sie die Polizei-Einsatzkräfte nicht an." Johanna Inkermann von der Initiative "Lützerath lebt" erklärt: "Die Polizei ist jetzt massiv vorgerückt und hat massiv gedrückt. Wir lassen uns aber nicht wegdrängen. Es ist eine extrem dynamische Situation." Polizeisprecher Andreas Müller berichtet gegenüber uns, dass es trotz ein paar Auseinandersetzungen "weitestgehend friedlich geblieben" ist.

Update 9. Januar 12:30 Uhr

Hunderte Klimaaktivisten haben sich im Ort Lützerath verschanzt und wollen die geplante Räumung durch die Polizei verhindern. Die Bewohner hatten Lützerath schon vor Monaten verlassen, weil der Energiekonzern RWE das Dorf abreißen will, um die darunter liegende Braunkohle abzubaggern. Die Bewohner wurden unlängst ausbezahlt. Aktivisten von "Ende Gelände" sprechen von bis zu tausend Aktivisten, die Polizei gar von 1.500. Einige sind vermummt oder tragen weiße Einmaloveralls. Die Protestler leben hier unter widrigen Umständen in Zelten oder in den verlassenen Häusern und warten auf den einen Tag, den Tag X. Die Polizei will Anfang der Woche erklären, wie sie die Räumung organisieren will. Schon am Dienstag oder Mittwoch könnte es soweit sein. Die Beamten wollen in Lützerath mit Einsatzhundetschaften anrücken, um den besetzten Ort zu räumen. Es drohen heftige Auseinandersetzungen. Denn der NRW-Verfassungsschutz befürchtet, dass unter den Demonstranten auch einige wenige gewaltbereite Linksextremisten sind.

© Alexander Franz
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Aktionsbündnis hofft, Lützerath sechs Wochen zu verteidigen

Einige haben bereits Barrikaden aus Baumstämmen aufgebaut. Oder sich in zusammengezimmerten Baumhäusern verschanzt. Es wurden Glasflaschen an den Zufahrtswegen einbetoniert. Bei einem Aktionstag am Sonntag (8. Januar) wurde bereits trainiert, wie man sich an einem dreibeinigen Gestell in gut drei Metern Höhe festkettet oder - an anderer Stelle - wie man möglichst effektiv eine Sitzblockade durchführt. "Menschen entscheiden selber, wie sie das Dorf verteidigen. Wir sind mit unterschiedlichen Mitteln im Einsatz und machen verschiedenste Aktionen, um Lützerath zu verteidigen", sagt Dina Hamid vom Aktionsbündnis "Lützerath Bleibt". Auf diese Weise hoffen die Aktivisten, dass sie die Polizei aufhalten können. Ihr Ziel ist: die Räumung bis zu sechs Wochen lang zu verzögern.

Das sagt Luisa Neubauer von Fridays For Future

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Lützerath ist mittlerweile für Klimaaktivisten aus ganz Deutschland zu einer Art Symbol geworden. Aus ihrer Sicht steht der Ort stellvertretend für die verfehlte Klimapolitik der Ampel. Ausgerechnet die Grünen bekommen in diesen Tagen ihr Fett weg. Aktivistengruppen fordern einen schnelleren Ausstieg aus der fossilen Energie. Darum unterstützt auch Luisa Neubauer von "Fridays für Future" den Kampf am Tagebau Garzweiler: "Lützerath liegt ganz real auf circa 280 Millionen Tonnen CO2 in Form von Braunkohle. Für einen Konzern wie RWE ist Lützerath richtig fette Beute." Diese Emissionen dürften laut Studien nicht in die Atmosphäre geraten, wenn wir "unsere Klimaziele erreichen wollen". Neubauer fügt hinzu: "Wir wissen auch: Die Kohle braucht es nicht hier für die sichere Energieversorgung Deutschlands. Wir beschützen daher aus der ganzen Gesellschaft nicht nur das Dorf, sondern die festgelegten Klimaziele."

Autor: Thorsten Ortmann

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